Inklusion - sog. Sonderpädagogischer Förderbedarf und die UN-Behindertenkonvention:
Sonderpädagogischer Förderbedarf & Sonderschulen (Förderschulen):
Unter dem sogenannten sonderpädagogischen Förderbedarf versteht man Schüler, die Defizite aufweisen, die über sogenannte Teilleistungsstörungen (bspw. Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS) hinausgehen.
Der sonderpädagogische Förderbedarf ist damit zunächst ein quantitativer Aspekt, was in der schulischen Praxis auch meist durch das Wort "Behinderung" in Abgrenzung zur "Teilleistungsstörung" zum Ausdruck gebracht wird.
Während Kinder mit Teilleistungsstörungen Regelschulen besuchen, steht dies für Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf gerade in Frage: Wird der sonderpädagogische Förderbedarf nämlich festgestellt, so stellt sich die Frage des "Förderortes" und dies kann durchaus eine Regelschule (= Inklusion), aber auch eine Sonderschule sein (heute meist als "Förderschule" bezeichnet).
Nach einer Erfassung des VDK aus dem Jahre 2009 sollen damals nur 15,7% der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Regelschule besucht haben, während 84,3% Sonderschulen besuchten. Diese Quote ist im internationalen Vergleich schlecht, so daß es auch wenig wundern mag, daß die Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs und insbesondere der Streit um den Förderort Gegenstand zahlreicher rechtlicher Auseinandersetzungen ist (vgl. im einzelnen unter www.schulrecht.pro).
Dies wird seit Jahren in Deutschland schulpolitisch diskutiert (Inklusion), ohne daß gravierende Änderungen erkennbar wurden.
Inklusion - die UN-Behindertenkonvention:
Bewegung ist in die Schulpolitik seit der Ratifizierung des Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (kurz: UN-Behindertenkonvention) am 21.12.2008 gekommen:
Unter Art. 24 UN-Behindertenkonvention wurde ein "integratives Bildungssystem" festgelegt, auf dessen Grundlage bald politisch und auch rechtlich Forderungen nach einer höheren Integrationsquote in Deutschland gestellt wurden (Stichwort: Inklusion).
Natürlich gab es Juristen, die gutachterlich darstellten, daß die UN-Behindertenkonvention bereits staatliches Recht sei, wie es auch Juristen gab, die erklärten, es bedarf hierzu einer staatlichen Umsetzung per Gesetz.
Letztlich hat sich faktisch die Meinung durchgesetzt, daß die UN-Behindertenkonvention keine direkten Auswirkungen hat, so daß die einzelnen Bundesländer jeweils politisch unter Druck gerieten, Inklusion rechtlich umzusetzen.
Inklusion - rechtliche Entwicklung innerhalb der einzelnen Bundesländer (Inklusionsgesetze):
Politisch ist seither einiges in Bewegung geraten, wobei eine Darstellung müßig ist, denn
- großzügige Wahlversprechen müssen bekanntlich auch erst einmal tatsächliche Taten folgen,
- Gesetzesänderungen unterliegen bekanntlich einem gewissen Spielraum und müssen erst einmal juristisch/gerichtlich geklärt werden
- und der letztendliche "Stresstest" besteht ohnehin darin, wie Wahlversprechen und Inklusionsgesetze dann auch tatsächlich so umgesetzt werden, da man diese durch Umgehungen und unzureichende ASusstattungen natürlich auch schnell ins Leere laufen lassen kann.
Als besonders nachteilig erweist sich, daß niemand offen einzelne Punkte ausspricht, die durchaus Brisanz aufweisen. Wenn bisher 84,3% der Kinder in Sonderschulen unterrichtet wurden, dann liegt auf der Hand, daß man nicht per Federstrich mal schnell alles ändern kann. Dies bedarf eigentlich der Einbeziehung der hierfür notwendigen personellen, sachlichen und vor allem auch finanziellen Ausstattung:
- Woher kommen Fachkräfte bzw. wie bilde ich fort?
- Ist dies im im Einzelfall in bestehenden Schulen ohne größere Umbauten überhaupt möglich bzw. was muß man alles vorab ändern, damit dort Schüler vernünftig beschult werden können?
- und vor allem, was kostet das Ganze und wer zahlt es und woher nimmt man das Geld im Zeitalter leerer Kassen?
- Nimmt man sonderpädagogischen Förderbedarf im Ragmen der Sehbehinderung, Hörbehinderung bzw. Körperbehinderung, so erscheint Inklusion ja generell möglich, setzt allerdings voraus, daß an Schulen Umbauten vorgenommen werden (Rampen, Fahrstuhl, Schallisolierungen usw.). Hier erheben vor allem die Kommunen als Schulträger Bedenken, weil die Länder bei ihren Plänen meist davon ausgehen, daß sie mit diesen Kosten nichts zu tun haben wollen...
- Hinzukommt, daß in diesen Fällen sowie im Rahmen sozial-emotionalen Förderbedarfs mitunter eine Schulbegleitung erforderlich wäre. Insofern darf man nicht vergessen, daß es auch vor der Inklusionsdebatte bereits in Einzelfällen Schulbegleiter gab, die Stellen aber meist sehr restriktiv waren, da eine 1-zu-1-Betreuung natürlich nicht ganz billig ist.
- Und Lehrer zeigten sich ja bereits in der Vergangenheit bei heterogenen Gruppen schnell überfordert.
- Kommunen stellen sich wegen der vor allem für sie teueren Folgekosten für Umbauten der Schulgebäude quer,
- Lehrer stellen sich wegen unzureichender personeller Ausstattung/Kompetenz quer
- und Länder sind angesichts vorstehender Probleme sowie der ungelösten Kostenfragen auch eher zurückhaltend.
Inklusion - Ausblick:
In der Zwischenzeit zeigt sich allerdings ein erhebliches Problem darin, daß Schulen als Reaktion auf die Inklusionsdebatte zusehend nach Hilfen auch für solche Schüler rufen, die keinen sonderpädagogischen Förderbedarf haben - bspw. Schüler mit Legasthenie oder ADHS.
Insofern zeigt sich eine unschöne Entwicklung dahingehend, daß plötzlich Kinder sonderpädagogischen Förderbedarf erhalten sollen, die eigentlich gar keinen sonderpädagogischen Förderbedarf haben - was natürlich den netten Nebeneffekt hat, daß man damit "Inklusionsquoten" schafft, nur eben nicht mit Schülern, die tatsächlich sonderpädagogischen Förderbedarf haben, sondern ganz normalen Schülern, die plötzlich als Integrationsschüler gelten...
Hinzukommt, daß Inklusion bereits wieder partiell zerredet wird: Bspw. möchte Bremen verhaltensauffällige Kinder von der Inklusion ausnehmen, weil diese in einer normalen Klassengemeinschaft zum Problem werden (was sicher auch andernorts aufmerksam verfolgt wird). Es bleibt abzuwarten, ob solche oder ähnliche Einwände auch bei anderen Gruppen Eingang finden...
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